Interview: Newcomer Nature über die Härten des jamaikanischen Musikbusiness

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Andre „Nature“ Ellis ist derzeit einer der spannendsten Reggae-Newcomer in Jamaika. Gesegnet mit einer wunderschönen Sänger-Stimme und der Einsicht, dass Substanz doch wertvoller ist als ein kurzfristiger Hype, ist es nur eine Frage der Zeit bis er seinen Durchbruch schaffen wird.
Nach seinem Auftritt am Reggaejam 2010 treffe ich Nature zum Interview. Auch wenn er noch sehr jung wirkt und sein Auftreten sehr zurückhaltend ist, seine Statements zeigen, dass er bereit ist die Stolpersteine des jamaikanischen Musikbusiness in Angriff zu nehmen. Aber lest selbst, was Nature zu sagen hat.

httpv://www.youtube.com/watch?v=p1oLYsttdLI

Dein Künstlername ist ‚Nature‘, kann ich daraus schlussfolgern, dass du nicht in Kingston, sondern eher im ländlichen Teil von Jamaika grossgeworden bist?
Zunächst möchte ich was zu meinem Namen sagen: Ich hab mich nicht selbst ‚Nature‘ getauft, Leute aus meinem Umfeld gaben mir den Namen – People see my action, my movement and said ‚Nature‘ is the name for you – so kam es zu meinem Künstlernamen. Geboren bin ich in Montego Bay, an der westlichen Küste von Jamaika. Später bin ich dann nach Kingston gegangen, um meine Musikkarriere in Schwung zu bringen.

Und wie viele jamaikanische Künstler hast auch du schon sehr früh mit singen angefangen?
Ja, ich hab wahrscheinlich schon gesungen bevor ich auf die Welt kam. (Grinst) Aber um genau zu sein, bei meinen ersten Auftritt vor Publikum war ich 9 Jahre alt. Back then I was a likkle bwoy – ging in die dritte Klasse und nahm an einem Talentwettbewerb an unserer Schule teil. Es war ein grossartiges Gefühl und von da an wurde mir meine Liebe zur Musik bewusst. Umso älter ich wurde, umso klarer sah ich, dass Gott mir die Aufgabe gab Musik zu machen.

Konntest du diesen Contest für dich entscheiden?
Dieser Wettbewerb war im Jahr 2002. Damals habe ich nicht teilgenommen um den ersten Platz zu belegen, ich wollte einfach etwas Aufmerksamkeit. Ich schaffte es auf den ersten Platz in der Kategorie ‚Gesang‘. Das Beste daran war, dass ich mit einem selbstgeschrieben Song angetreten bin und gewonnen habe, dass war unglaublich. Es hat mir viel Selbstvertrauen gegeben und mir wurde bewusst, dass ich ein guter Songwriter bin. So I kept on doing my thing, you know. Ich hatte „9 to 5 Jobs“, aber während der Arbeit habe ich zuviel gesungen. Mein Boss sagte immer: „Schau, entweder fängst du eine Sänger-Karriere an oder ich muss dich entlassen, weil so kann es nicht weitergehen“. He’s not wrong, so I decided to do music straight, because that’s what I’m born for. Es war natürlich keine einfach Entscheidung. Ich komme aus armen Verhältnissen, ein regulärer Job hätte mir ein regelmässiges Einkommen gesichert.Tuff decision got to be made sometimes, but once the Most High call, you got to move.

Heute weisst du allerdings, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast und an dieser Stelle: Big up your bossman for launching your career.
(Grinst) Yesman, big up the bossman, respect to him too. Aber es ist etwas tief im mir drinnen, was mich zu der Musik brachte. Meine Mutter zum Beispiel erzählte mir mal, dass sie früher Songideen in ihrem Notizbuch aufgeschrieben hat. Einmal hab ich meinen Vater singen hören bei einem Firmenfest und es war ein super Vibe. So I guess it’s in the blood, you know.

In Jamaika gibt’s bestimmt Tausende junge Sänger, die von einer grossen Karriere träumen. War es sehr schwierig als No-Name eine Chance zu bekommen?
Ja, es war sehr schwierig. Ich verliess meine Heimatstadt und kam nach Kingston in eine Umgebung, die mir total neu war. Wenn man vom Land kommt, muss man sich an die Lebensweise in der Stadt anzupassen – city run different. Niemand hilft dir, deine Familie und Freunde sind meilenweit entfernt und man hängt tagelang vor Studios ab mit der Hoffnung eine Chance zu bekommen. Very ruff, you know, If I should go into details, until tomorrow….

Welcher Produzent hat dir zu deiner ersten Studioaufnahme verholfen?
Also meine ersten Studioaufnahme hab ich noch während der Schulzeit aufgenommen. Ein Bekannter namens Patta Symbol, der Sohn von African Symbol, hatte ein kleines Studio. Täglich war ich dort, probte mit meinen Freunden und nahm Demo-Tracks auf. Die ersten richtigen Songs entstanden dann im Crazy Dog Studio, das damals auch noch sehr klein war. Damals ging ich noch zur Schule, musste aber nebenbei auch noch Geld verdienen. Ich sparte mein Essensgeld und finanzierte so einige Aufnahmen. Aber auch das waren nur Demos, ich würde sagen meine ersten Tracks für einen richtigen Produzenten machte ich bei Robert, der ebenfalls aus Montego Bay kommt und auch mit Little Hero zusammenarbeitet. Für ihn nahm ich ‚Highgrade Corner‘ und danach ‚Dirty Closet‘ auf.

Soweit ich weiss sehen es viele Eltern in Jamaika nicht gern, wenn ihre Kindern sich in den Kopf setzen als Sänger durchzustarten. Wie war denn die Reaktion deiner Eltern als du angefangen hast?
Dazu möchte ich zuerst mal sagen, dass ich nicht glaube, dass jamaikanische Eltern explizit verhindern wollen, dass ihre Kinder eine Karriere im Musikbusiness in Angriff nehmen. Das Business ist sehr hart. Es ist schwierig Fuss zu fassen und es gibt sehr viele Talente mit denen man sich konkurrenzieren muss. Man braucht viel Motivation und Überzeugung, um seinen Eltern zu beweisen, dass man es im Musikbusiness zu was bringen kann. Es ist aber nicht so, dass die Eltern in Jamaika generell etwas gegen Musik haben, aber es ist hart – not an easy road – und sie wollen, dass aus dir etwas wird, dass du dich um dich selbst kümmern kannst. Mit meinen Eltern gab es Ups und Downs. Nach einer Weile sahen sie, dass ich es ernst meine. Sie sagten immer, wenn du unbedingt Musik machen musst, dann singe keine Slackness-Lyrics. Mach positiven Sound. Sing Text über die Gott sich erfreuen kann und sei ein Vorbild für deine Hörer.

Ich habe gelesen, dass du heute in Verbindung stehst mit dem Label ‚Heart of Love‘. Wie sieht da genau die Zusammenarbeit aus?
Also momentan habe ich mein eigenes Label namens ‚Nature Power Production‘, dass ich zusammen mit Christopher Linsi führe. Einige Monate zurück arbeitete ich mit Bibi Gardener’s Heart of Love. Ein guter Mann, der meiner Meinung nach viel gemacht für meine Karriere. Aber das Leben offenbart viele verschiedene Wege und manchmal muss man seinen eigenen Pfad gehen.

Bibi Gardener ist ja nicht nur Labelbetreiber und ein guter Mensch, wie du gesagt hast, sondern hat auch noch ganz andere Talente oder?
Ja stimmt, er ist ein sehr guter Fussballer. Er ist Käpitan der jamaikanischen Nationalmannschaft und spielt in der englischen Liga bei Bolton Wanderes.

Eine Fussballkarriere ist ja ein Vollzeitjob und ein Label zu betreiben ist auch ein Haufen Arbeit. Inwiefern war er bei „Heart of Love“ involviert?
Er versucht sein Bestes indem er Leute engagiert, die sich um das Label und die Künstler kümmern. Er selbst war wenig direkt beteiligt, aber er hat seine Angestellten, die mit den Künstler in Kontakt stehen. Er macht einen grossartigen Job und ich werde ihm für immer dankbar sein für seinen Einsatz.

Nun ein anderes Thema: Wie ist deine Meinung als Conscious-Artist über die gegenwärtige, inhaltlich oft sehr brutale Dancehall-Musik aus Jamaika?
Nun Musik ist eine Form sich auszudrücken und jeder Mann, jede Frau hat das Recht eigene Entscheidungen zu treffen. Aber jede Aktion verursacht eine Gegenreaktion und ich habe mich entschieden positive Musik zu machen – That’s all I know. Ich bin nicht darauf fixiert was andere Künstler machen. Ich bin froh, dass es Leute gibt, die positive Musik unterstützen. Sie sind meine Motivation weiterzumachen und neue Stücke rauszubringen. Ich fände es schön, wenn mehr Künstler diesem Weg folgen würden. Aber man muss auch sagen, es liegt nicht nur an den Künstler positive Musik zu machen, sondern auch an den Medien diese zu unterstützen. Viele Hits werden bekannt über Radio-Airplay, Radio-DJs und Selector haben viel damit zu tun, welche Art von Stücken populär sind in Jamaika. It’s bigger than just the artist doing good music, the whole business is involved.

Ich hab schon oft gehört, dass das jamaikanische Musikbusiness und speziell die Radios sehr korrupt sind. Hast du das selbst schon erlebt?
In allen Aspekten des Lebens gibt’s Gut und Böse. Jemand hat mal gesagt, umso höher du die Messlatte legst umso höher wirst du kommen. Egal wer mir Steine in den Weg legt und mich bekämpft, ich bin auch ein Kämpfer. I am fighter of the Most High army. Wenn eine Türe sich schliesst, öffnet sich dafür eine andere. Egal wie gross die Hindernisse sind, es gibt immer einen Weg drumherum.

Du hast einige Single draussen, auf Youtube kann man Videos anschauen, aber wann kommt dann eigentlich das Nature-Debütalbum?
Good..(grinst). Zurzeit arbeite ich daran, etwa sieben Stücke sind im Kasten. Einige neue, unveröffentlichte Songs werden darauf zu finden sein und Stücke, die schon länger draussen sind. Ich bin immer noch ein Newcomer. Viele Leute kennen mich nicht, deshalb werden wie die Besten aus meinem bisherigen Backcatalog rauspicken und für meine Fans auch neues, exklusives Material dazunehmen.

Möchtest du mit einem renommierten Label zusammenarbeiten wie VP oder lieber über dein eigenes Label „Nature Power Prodction“ veröffentlichen?
Das kommt ganz auf das Angebot an. Heute muss man die Dinge selbst in die Hand nehmen – so di ting set in the music-business today. Nature Power Production nah sit down and wait for no label. Aber wenn ein Label wie VP Interesse zeigt, setzten wir uns gerne zusammen und schauen uns den Deal an. At the end of day we just produce music, be creative and voice songs – when we’re ready, we will release it by ourself. Ich kann immer noch ein Album aufnehmen für jemand anders….Alles ist möglich.

Besten Dank für das ausführliche Gespräch.

httpv://www.youtube.com/watch?v=pO_eQE7PTN0

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