Summer-Throwback: Konzert-Review vom Royal Reggae Festival 2017

Der Konzert-Kritiker von unseren Partnern Aightgenossen.ch, DJ Flamin Fingaz, war vor einiger Zeit mal wieder an einem Reggae-Konzert zu Gast. Und zwar am Royal Reggae Festival in Zürich. Er hat ausnahmsweise einige Eindrücke für Reggaenews.ch festgehalten.

 

Den Konzert-Kritiker DJ Flamin Fingaz hörst du auch wöchentlich als DJ auf Jam On Radio. Jeweils Freitags von 20.00 bis 22.00 in der Artcore Radioshow.

DancehallReggae
Cali PDe LucaElijahGappy RanksReviewRoyal Reggae Festival

 

Es ist schon eine Zeitlang her, seit dem letzten Besuch von Dj Flamin Fingaz an einem Reggae/Dancehall Konzert. Offensichtlich hat sich die Kadenz, in welche sich die jamaikanischen Hochkaräter das Mikrofon für einen Auftritt in der Schweiz in die Hand drücken, deutlich abgeschwächt. Anfang August war es nun aber endlich wieder mal soweit. Zur grossen Freude für den Schreiber wartete die 5. Ausgabe des Royal Reggae Festivals in Zürich dieses Jahr mit Gappy Ranks – neben den üblichen einheimischen Topshots – auch mit einem internationalen Headliner auf.

In erster Linie interessierte den Autor dieser Zeilen die Auftritte von Cali P und Gappy Ranks. Deswegen machte er sich nicht zu früh auf den Weg ins Escherwyss. Dort angekommen war die Reihe grad an De Luca. Dieser harmonierte offensichtlich bestens mit der anwesenden Band. So kann man handwerklich an seinem Auftritt nichts aussetzten. Jedoch kitzelte das musikalische Ergebnis dieser Kombination nicht gerade das letzte bisschen Begeisterung beim Schreiberling raus. Auch wäre es übertrieben zu behaupten, dass De Luca auf der Bühne vor Charisma übertrieft, obwohl er sich grösste Mühe gab ein Feedback vom Publikum einzufordern und ihm dies mit Abstrichen auch gelang.
Auf De Luca folgte Baba The Fayahstudent. Ausser dass dieser auf englisch sang, unterschied sich dieser Auftritt nicht gross vom vorherigen. Ein bisschen mehr Bühnenpräsenz kann man dem Feuerstudenten sicher zugestehen, aber auch sein Auftritt war jetzt nicht einer der Sorte, die sich unwiderruflich ins Gedächtnis des Autors einbrennen würde. Zur Verteidigung der zwei Artists sollte aber auch angemerkt werden, dass sich die Beigeisterung des Bleistiftschwingers hinsichtlich Roots Reggae grundsätzlich in Grenzen hält und er sich mehr für die härtere Spielart des Genres, Dancehall, begeistern mag.
Ein erstes Highlight an diesem Abend folgte mit dem kurzen Auftritt der singenden Schwestern Irina & Caro. Was für eine bzw. zwei Stimmen! Mon dieu. Die zwei Ladys haben definitiv Soul und verzaubern mit ihrem Gesang auch den kitschigsten Riddim (wobei sich der Kitschfaktor glücklicherweise sehr in Grenzen hielt). Allerdings hielt es die zwei Pfundsdamen nur für etwa drei, vier Lieder auf der Bühne. Erfreulicherweise klärte sich der Grund dafür jedoch wenig später gleich wieder auf. Standen diese doch auch als Background Sängerinnen für die Show von Cali P auf der Bühne. Wohl dem, wer über solche charmanten und stimmgewaltigen Nebendarstellerinnen verfügt. Es ist allerdings auch eine Verpflichtung, selber eine mehr als anständige Show zu liefern, sonst wird einem diese von diesen im Handumdrehen gestohlen. Es bereitete Cali P jedoch keine Mühe dies einzulösen. Zürichs jamaikanischer Ziehsohn zog das Publikum sofort mit seiner Bühnenpräsenz in den Bann und überzeugte von Beginn weg mit einer energiegeladenen Performance. Auch die Band liess sich nicht lumpen und trieb Cali P in den Refrains regelmässig zu Höchstleistungen. Wenn sie jeweils zum Break ansetzten, sprang nicht nur Cali P, sondern die halbe Halle. Auch sollte man an dieser Stelle ein Kompliment an den Soundmischer nicht vergessen. Was er unseren Ohren zumutete, genügte wirklich höchsten Ansprüchen. Cali P liess es sich nicht nehmen, der Crowd auch ein paar Tunes seines gerade erschienen neuen Albums „I Thoughts“ zu präsentieren. Von dem was man an diesem Abend zu hören bekam, kann man den Kauf dieses nur wärmstens ans Herz legen.

Doch der Zeitplan an einem Festival ist immer straff. Auch ein Co-Veranstalter kann sich da keine Extrawurst rausnehmen und so musste auch Cali P nach grob geschätzten 30-40 Minuten die Stage räumen und das Mikrofon dem Special Guest aus London übergeben. Dass dort nun eine geballte Ladung Bühnenerfahrung stand, merkte man von der ersten Sekunde an. Dieser Herr stammt halt aus einer Zeit, in welcher Künstler wirklich noch mit handwerklichem Können und nicht mit irgendwelchen Memes oder Gimmicks überzeugen mussten. Es war schon noch erstaunlich, welch liebliche Töne diesem muskelbepackten und tätowierten Kraftpaket entfleuchten. Er konnte natürlich auch anders. Wenn er toastete änderte sich die Klangfarbe schlagartig, kippte ins bedrohliche, sank um 3 Oktaven und erschlug einen fast mit einer Vehemenz und Wucht in der Stimme, die seinesgleichen sucht. Leider zeigte es sich bei Gappy Ranks, dass die anderen Artists fast die Gelegenheit gehabt haben müssen, im Vorfeld mit der aufspielenden Band zu proben. Denn im Gegensatz zu allen anderen harmonierte Gappy Ranks einfach nicht mit der Boomrush Band. Dies war auch der einzige Moment am ganzen Abend, wo diese einen klitzekleinen Anlass zu Kritik an ihnen boten. Während sie sich bei den anderen Artists mit schlafwandlerischer Sicherheit durch das (rootslastige) Repertoire spielten, schien es so, dass sie in ihrem Probekeller wohl eher selten härtere und schnellere Dancehallriddims durchexerzierten. Zumindest ging ihre Interpretation von „Baddest“ ziemlich in die Hose. Dies war insofern schade, dass man nicht über eine allzu ausgeprägte Vorstellungskraft verfügen musste um sich vorzustellen, wie geil die Performance geworden wäre, hätte Gappy Ranks mit der Boomrush Band harmoniert. Hätte, hätte, Fahrradkette, die Realität war nun so, dass beide Parteien versuchten, das Beste aus der Situation zu machen und sie sich den Umständen entsprechend nicht schlecht aus der Affäre zogen. Beide waren Profis genug um gute Miene zum bösen Spiel zu machen und den Auftritt souverän über die Runden zu bringen. So wurde es halt nicht der erhoffte alle Erwartungen sprengende, Stadtmauern niederreissende Superauftritt, aber immer noch eine über dem Durchschnitt liegende Dancehall Performance (als regelmässiger Besucher von Dancehallkonzerten ist man sich ja auch einiges gewöhnt).

Nach der Show von Gappy Ranks wurde eine kleine Umbaupause angekündigt, welche sich schlussendlich eher zu einem ausgewachsenen Pottwal einer Pause auswuchs. Es brauchte definitiv seine Zeit die Band von Elijah ins rechte (akustische) Licht zu rücken. Vor besonderen Schwierigkeiten stellte die Techniker das Instrument von Elijah’s Special Guest King Kora. Es wollte ihnen einfach nicht gelingen die Kora über die PA erklingen zu lassen (wer sich darunter nichts vorstellen kann, eine Kora sieht ungefähr so aus, als hätte man den Hals einer Gitarre in einen grossen Kürbiss gerammt und halte das ganze mit ein paar Saiten zusammen). Nach der gefühlten Evolution vom Einzeller zum aufrechtem Menschen und nachdem King Kora schon zweimal entnervt das Handtuch werfen wollte war gegen halb 4 Uhr morgens die Zeit dann endlich reif für Elijah. Zusammen mit seiner Hausband sorgte dieser für einen würdigen Abschluss dieses royalen Festivals, auch wenn die Luft bei der Crowd nach der langen Wartezeit verständlicherweise ein bisschen draussen war. Auch King Kora demonstrierte, dass es sich trotz allem gelohnt hatte, ein „wenig“ mehr Zeit zu investieren um auch die Kora über die Lautsprecher zum klingen zu bringen. Wunderbar, welche mystischen Klänge er dieser zu entlocken vermochte und mit diesen Elijahs Songs veredelte. Passend zum familiären Charakter dieser Veranstaltung holte Elijah während seiner Show nochmals die meisten Künstler dieses Abends auf die Bühne und performte mit ihnen die gemeinsamen Songs. Als krönenden Abschluss jammten und freestylten dann alle zusammen auf der Bühne. Its a family thing!