Albumreview: Micah Shemaiah beschwört seine Roots Vision

Eigentlich zeichnet sich das jamaikanische Reggae Bizniz durch seine Schnelllebigkeit aus. Produzent X baut einen Riddim, angesagter Sänger Y singt drüber und Yardie Z leakt das Teil ins Internet. Dann heißt es: Pull up, my selecta! Hat der Riddim und oder Tune Erfolg, ist für den Sänger oft nicht mal Zeit um über den Atlantik zu fliegen, bevor schon wieder der nächste Tune der Größere ist. Nicht so bei Micah Shemaiah, dem Rastafari der Twelve Tribes of Israel aus Kingston, Jamaika.

DubReggae
Micah ShemiahReviewRoots Vision

Micah Shemaiah liess sich schon bei seiner schwergewichtigen Soundsystem-Hymne „Dread At The Control“ nicht aus der Ruhe bringen und veröffentlichte sie erst fast zwei Jahre nachdem der Tune als flachbrüstige mp3 durchs Netz geisterte. Und das dann gleich noch als limitierte 7inch mit exklusivem Artwork vom Londoner Streetart Künstler Mau Mau. Das war 2015.

Drei Jahre, viele Singles und ein paar Alben später erscheint nun mit „Roots I Vision“ ein Album in dieser Tradition: Tief im Roots Reggae der späten 70er und frühen 80er verwurzelt, entspannt und wunderschön. Dieses Album hat nichts Spektakuläres. Und eben dies macht es spektakulär. Man muss sich Zeit lassen für diesen musikalischen Ausflug. Genau wie Micah Shemaiah. Dann wird man mit den ganzen Feinheiten der analogen Produktion (der Mix und Dubs übrigens von Umberto Echo), den ausgefeilten, mit Vintage Instrumenten eingespielten Arrangements und der meditativ schmeichelnden Stimme Micahs belohnt.

Die im Genfer Bridge Studio aufgenommenen acht Songs und (leider nur) drei Dub Versions setzen gleich am Anfang des Jahres einen hohen Standard. Die Vinylausgabe des Albums ist zwei Wochen nach Veröffentlichung schon fast ausverkauft und so wird man „Roots I Vision“ hoffentlich des öfteren auch beim Soundsystem-Dance zu hören bekommen. Und hoffentlich wird Micah – am besten mitsamt Band – auch bald den Weg über den Atlantik antreten und an Festivals und in Clubs seine Vision der Roots beschwören. Im Gegensatz zu oben erwähnten Kollegen hat er genug Zeit, denn seine Musik ist zeitlos.

Anspieltipps: Roots I Vision & Breeze in The Shade

Erhältlich bei Evidence Music