Groundation heisst die kalifornische Reggae-Jazz-Kombo mit der mittlerweile mehr als zwanzigjährigen Bandhistorie. Zuletzt kontrovers diskutiert und bei den Fans in die Kritik geraten, erscheint nun ihr allererstes Livealbum «The Next Generation Live».
Diverse Gerüchte, Interviews und Artikel in Reggaemedien kursierten, bevor 2018 schliesslich ein Groundation-Kapitel der Ungewissheit beendet wurde. Lange war davor unklar, ob die Band weiterexistieren würde. Auf die Groundation Tournee zum Album «A Miracle», die im Jahr 2015 endete, folgte Leadsänger und Gitarrist Harrison „Professor“ Staffords zweites Soloalbum «One Dance» im Jahr 2016, während parallel dazu das Projekt Rising Tide, bestehend aus den restlichen Bandmitglieder*innen Groundations, das selbstbenannte Album «Rising Tide» veröffentlichte. Beide Projekte feierten ihre Releases mit ausgiebigen Tourneen. 2018 dann das Comeback Groundations: Das Album «The Next Generation» erschien beim französischen Label Baco Records. Musikalisch schloss es nahtlos an die Vorgängeralben der neunköpfigen Band an. Doch bis auf Harrison Stafford wurden alle Mitglieder*innen ausgetauscht. Äusserungen der Bandmitgründer Marcus Urani (Keys) und Ryan Newman (Bass) sprechen für ein nicht sehr harmonisches, einseitig bestimmtes Auseinandergehen der Band. Harrison Stafford hingegen erklärt unter anderem in einem ausführlichen Interview mit Reggaeville, dass er die beiden gefragt habe, ob sie weiterhin Teil der Band sein wollten – was diese offenbar ablehnten. Die Wahrheit wird wohl irgendwo in der Mitte liegen. Bei vielen Fans hinterliess die Geschichte zumindest einen schalen Beigeschmack.
Soviel zur Vorgeschichte. Wenn man das Live-Album davon abkoppelt, bleibt nichtsdestotrotz ziemlich viel übrig, das erwähnenswert ist. Beginnend beim Fakt, dass die 10 Songs total 71 Minuten lang dauern. Das liegt an den musikalisch spektakulär gezogenen Spannungsbögen, die den Sound von Groundation seit jeher prägen. Live kommen diese Arrangements mit ausführlichen Soli, Dub-Parts und Scatting-Einlagen von Sänger Harrison Stafford besonders gut zur Geltung. Auch auf dem Live-Album «The Next Generation Live».
Groundations Liveshows tragen eine unverkennbare Handschrift. Wer die Musik liebt, versinkt bei ihren Konzerten in einen fast schon tranceartigen Zustand und ist 71 Minuten lang mitten im Sound drin. Dass dies im Wohnzimmer oder unterwegs nur bedingt nachahmbar ist, versteht sich von selbst. Doch die Qualität der Produktion und die Präzision auf dem Live-Album in Kombination mit den oben beschriebenen Arrangements und der Virtuosität aller beteiligten Musiker*innen beeindruckt und lässt von den vergangenen Groundation Konzerten träumen – und den Shows, die noch folgen werden. Im Frühling 2021 macht die Band auch Stopps in der Schweiz.
Knapp die Hälfte der Songs auf dem Live-Album sind dem Album «The Next Generation» entnommen. Klassiker wie «One More Day (Live It Up)» oder «Weeping Pirates» machen den Mix aus altbekanntem und neuem Material perfekt. Ob hier die neue oder alte Generation am Werk ist, würde ich persönlich nicht heraushören. Ob das Orgelsolo bei «Hold Your Head Up» dem eines Marcus Urani standhalten würde? Wohl kaum. Doch die goldenen Female-Backings, die groovende Rhythm-Section, die punktgenauen Horns sowie alles andere, was den Groundation Sound ausmacht, werden auf diesem Live-Album perfekt verpackt und auf die Kopfhörer und Stereoanlagen der Fans geliefert.
Dass Groundation bei eingefleischten Fans aufgrund der intransparenten Neuformierung und der Nebengeräusche im Vorfeld des Comebacks gewisse Sympathien verloren hat, ist bedauerlich. Der Clinch ist riesig. Denn rein musikalisch gesehen ist diese Band nach wie vor etwas vom Allergrössten, was Reggae je hervorgebracht hat. Auch kommende Generationen werden sich erfreuen ab dem einmaligen Sound und den mitreissenden Konzerten. Und – wie Harrison Stafford am Ende des Live-Albums – um «one more, please just one more» bitten!