Interview: Raf 3.0 „Mir fehlt die Authentizität im deutschen Dancehall“

Reggae

Angefangen hat der Hype letzten Sommer. Das österreichische Label Irievibration Records hat für das neue Album des Wiener Rappers Raf Camora mit der Promo begonnen, der sich für das neue Projekt in „Raf 3.0“ transformiert hat.

Diese Meldung wurde in den einschlägigen Dancehall-Foren heftig disktutiert, insbesondere weil Irievibration das Album als die „Deutsche Dancehall Revolution“ angekündigt hatte. In den Augen der Szene pure Effekthascherei. Auf vielen Stücken hört man zwar eine Off-Beat-Gitarre oder Keyboard, die Flows aber folgen nur teilweise der Dancehall-Melodie und die Themenwahl und Schreibstil geht natürlich in eine ganz andere Richtung als der typische Dancehall-Tune.

Am 24.02.2012 ist dann das Album erschienen und wie erwartet hoch in den Alben-Charts eingestiegen. Bei seinen HipHop-Fans ist Raf 3.0 ein voller Erfolg, in der Reggae-Dancehall-Szene ist man vielerorts immer noch etwas skeptisch. Bereits im vergangenen Sommer hat Reggaenews.ch den in der Schweiz geborenen Wiener, der seit geraumer Zeit aber in Berlin verweilt, getroffen. Ein spontanes Gespräch mit Raf 3.0 über die deutsche Dancehall-Szene, sein Album und die Feedbacks aus der Szene.

 

Reggaenews.ch: Raf 3.0 dürfte den meisten Reggaenews.ch-Leser noch kein Begriff sein, da du ja vorallem als Rapper unterwegs bist. Stell dich doch kurz vor.

Raf 3.0: Mein Künstlername ist Raf 3.0 und ich wohne in Berlin seit fünf Jahren, bin Rapper und Produzent. Mit dem neuen Album „Raf 3.0“ habe ich jetzt quasi einen neuen Weg eingeschlagen und zwar mehr in den Dancehall-Bereich, wo ich auch ursprünglich herkomme.

Inwiefern kommst du denn daher? Hast du früher viel Dancehall gehört oder hatten deine Eltern viele Reggae Platten im Schrank?

Nee, ich hab eigentlich früher mit Dancehall angefangen Musik zu machen – damals noch auf französisch gesungen. Aber irgendwann war es halt langweilig in der Sprache zu singen in einem deutschsprachigen Land, deshalb habe ich geswitcht auf Deutsch. Als ich mir dann den deutschen Dancehall angehört habe, war ich schnell etwas entsetzt, weil mir die Authenzität gefehlt hat. Für mich hörte sich das an, als wenn irgendwelche Deutschen einfach eine ganz andere Kultur kopieren und da habe ich mich nicht wohlgefühlt in dieser Szene. So habe ich mich dann mehr in meiner zweiten Heimat, dem HipHop, gefunden und als Raf Camora meine Alben (deutschsprachiger Rap) herausgebracht.

Ich kannte ja nur die französische Dancehall-Szene und in meinen Augen hat die eine eigene Identität im Gegensatz zur deutschen Reggae-Szene. Die haben ihren eigenen Style kreeiert, haben ihre eigenen „Helden“ und ich finde, dass in Deutschland – abgesehen von Grössen wie Gentleman…was weiss ich…Peter Fox, Nosliw, D-Flame. Das sind ein paar Namen, die wirklich stark sind, aber sonst gibt’s sehr viele Leute, die einfach nur versuchen jamaikanischen Dancehall nachzumachen und das find ich halt richtig peinlich.

Aber neben den genannten Künstler, gibt’s es auch gar nicht viel. Die Szene ist klein…

Natürlich ist sie klein, aber trotzdem: Wenn ich auf Google eingebe „deutscher Dancehall“ sind schon, um die 50-60 Gruppen und davon ist vielleicht 2% gut. Im Rap gibt’s natürlich viel mehr und 50% sind richtig peinlich, aber der restliche 50% richtig fett.

 

Die entscheidende Frage: Was bringst du in die Szene ein? Was ist denn an dir authentisch, warum soll man sich das Album anhören?

Also ich denk, ich könnte eine grosse Bereicherung sein, weil ich durch meine Fanbase, die leider alle ein bisschen abgeschreckt sind vom Dancehall und denken, dass Dancehall immer „alles ist schön, alles ist gut“ ist. Durch die Fusion – HipHop mit Dancehall, diese Brücke, die ich da bilde, kann ich mir gut vorstellen, dass einige Leute, die von Dancehall nichts wissen wollten, weil sie keinen Bezug dazu haben, durch mich daran Gefallen finden. Einfach weil ich auch über andere Themen rede als der Rest vom deutschen Dancehall.

Du machst grosse Statements. Viele Leute finden sicher, dass du sehr arrogant wirkst. Hast du diese Erfahrung gemacht und spielst du vielleicht auch absichtlich damit?

Was ich einfach gelernt habe: Besser man sagt die Sachen einfach so wie man darüber denkt, als dass man etwas schönfärbt. Ich sag ja nicht, ich sei die neue Offenbarung der Musik, aber ich kann zu dem stehen was ich sage und bin eintausend Prozent stolz auf meine Arbeit und sag auch meine ehrliche Meinung zum Rest.

Wie war denn die musikalische Umstellung? HipHop hat ja oft den selben Flow, Dancehall lebt von der Melodie und der Text ist oft etwas simpler gestrickt…

Das war schon ein Problem. Einige Leute, die sich das Album anhören werden, werden sagen, dass ist kein Dancehall, sondern HipHop. Aber mir ist dieser Begriff letztendlich ziemlich egal, ich mach ja auch meine eigene Interpretation von dieser Musik. Und wegen „simpel gestrickten Lyrics“, ein Ding was ich bei den französischen Dancehall-Acts gesehen haben: Die haben sehr gute und auch tiefe Texte, während hier in Deutschland die Lyrics sehr simpel gehalten werden, sodass es ein bisschen nach Schlager geklungen hat. Wenn du auf deutsch singst „Mein Schatz, ich liebe dich“, hört sich dass an wie Schlager. Hingegen auf Englisch oder Patwa kann man sowas singen und es hört sich schön an. Deshalb habe ich für „Raf 3.0“ versucht nicht diese „Standard-Wörter“ zu benutzen, die oft etwas kitschig klingen, sondern wirklich lange überlegt bevor ich etwas schreibe.

War es eine Herausforderung Gesangs-Melodien zu finden?

Das Ding ist, ich habe nicht mit HipHop oder Dancehall angefangen Musik zu machen. Seit ich etwa 12 Jahre alt bin, habe ich in verschiedenen Bands gespielt. Alles Mögliche von Grunge, über Rock und Metal. Und ich produziere ja auch heute sehr viel. Produzent ist eigentlich wirklich mein erster Beruf. Melodienmässig hat mich HipHop eher begrenzt. Ich bin jetzt sehr froh, dass ich wieder Melodien in die Songs einbauen kann.

 „Raf 3.0“ ist über Irievibration Records erschienen. Erhältlich als CD und Digital Download.

httpv://www.youtube.com/watch?v=PZK4fOIT7Uc

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